Sie warteten auf Lastwagen mit Mehl und anderen Lebensmitteln, am Ende waren mehr als 100 palästinensische Menschen tot. Was dazwischen geschah, ist umstritten.
Mehr als 30 Lastwagen mit Hilfsgütern überquerten am Donnerstagmorgen gegen vier Uhr den Grenzübergang Kerem Schalom Richtung nördlicher Gazastreifen. Doch statt dringend benötigte Hilfe zu erhalten, starben mutmaßlich mehr als 100 Palästinenserinnen und Palästinenser. Wie genau es dazu kam, ist noch unklar. Die Untersuchungen laufen. Die israelische Armee spricht von “Warnschüssen” nach einer Massenpanik, die palästinensische Gesundheitsbehörde von einem “Massaker”.
Alle Fragen im Überblick:
Wie schildert die palästinensische Seite die Geschehnisse?
Die palästinensische Gesundheitsbehörde wirft den israelischen Soldaten vor, gezielt das Feuer auf die wartende Menge eröffnet zu haben. Mehr als 100 Menschen seien tot, mehr als 700 weitere verletzt worden. Diese Version wird auch von palästinensischen Journalisten und dem palästinensischen UN-Botschafter Riad Mansur gestützt. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.
Der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses im Norden Gazas, Hussam Abu Safiya, sagte der Washington Post, dass bei ihm zwölf Tote angekommen seien und 175 Verletzte behandelt wurden. Alle hätte Schusswunden, die meisten von mehreren Kugeln. Am Freitagabend teilte auch der UN-Sprecher Stéphane Dujarric mit, dass viele der Verletzten im Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt Schusswunden aufweisen würden. Ein Team der Vereinten Nationen hatte die Klinik besucht. Dort seien noch immer mehr als 200 Menschen in Behandlung. Ob auch Leichen untersucht wurden, wisse er aber nicht, sagt Dujarric.
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Was sagt Israel zu den Vorwürfen?
Die israelische Armee sagt hingegen, die Toten seien die Folge einer ausgebrochenen Massenpanik.Die meisten seien totgetrampelt oder von den Lastwagen überfahren worden. Außerdem hätten bewaffnete Palästinenser den Konvoi beschossen und Lastwagen geplündert. Erst als sich eine Gruppe von Menschen den israelischen Soldaten auch nach Warnschüssen weiter bedrohlich genähert habe, sei scharf geschossen worden.
Am Donnerstag veröffentlichte die israelische Armee Drohnenaufnahmen, die diese Version belegen sollen. Aber das Video ist zusammengeschnitten, ohne Ton und zeigt nur das Ende der Geschehnisse auf der Harun-al-Rashid-Straße: am Boden liegende Leichen und Menschen, die um ihr Leben rennen. Was davor geschah, ist nicht zu sehen.
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Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock forderte auf X eine lückenlose Aufklärung von der israelischen Armee. “Menschen wollten Hilfsgüter für sich und ihre Familien und fanden den Tod. Die Berichte aus Gaza erschüttern mich”, schrieb Baerbock. Es brauche nun endlich eine humanitäre Feuerpause. Diese forderte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. “Der Beschuss von Zivilisten durch das israelische Militär bei dem Versuch, an Lebensmittel zu gelangen, ist nicht zu rechtfertigen”, hieß es aus dem französischen Außenministerium.
Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man werde die Untersuchung genau verfolgen und auf Antworten drängen. Eine Erklärung des UN-Sicherheitsrates, die Israel für die Toten verantwortlich machen sollte, hatten die USA blockiert. Es lägen noch nicht alle Fakten vor. Die Afrikanische Union warf Israel hingegen die “Massentötung von Palästinensern” vor. Auch das katarische Außenministerium sprach in einer Mitteilung von einem “abscheulichen Massaker”.
Über die Bedingungen einer Waffenruhe verhandeln Israel und die Hamas seit Wochen, vermittelt von den USA, Ägypten und Katar. US-Präsident Joe Biden und auch israelische Medien gehen davon aus, dass die Gespräche nun noch komplizierter werden dürften.
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Wie ist die humanitäre Lage im Gazastreifen?
Christian Lindmeier, Sprecher der Weltgesundheitsorganisation WHO, beschreibt im Interview mit ZEIT ONLINE die Situation für die Menschen in Gaza als katastrophal. Von ehemals 36 Krankenhäusern seien momentan zwölf in Teilen wieder einsatzbereit. Es fehle an Strom, die Frischwasser- und Abwasserversorgung sei nicht mehr möglich, der Müll türme sich. “Seit Wochen gibt es zu wenig zu essen und zu trinken und mit der Unterernährung häufen sich die Infektionskrankheiten”, sagt Lindmeier. “Wir haben heute die offizielle Zahl erhalten, dass das zehnte Kind in einem Krankenhaus verhungert ist.”
Vor allem der Norden des Gazastreifens ist laut Lindmeier schwer zu erreichen, weil die Straßen durch Konfliktgebiet führten. Die letzten Hilfslieferungen hätten die Menschen dort Ende Januar erreicht. Rund 250.000 sollen sich noch im Norden des Gazastreifens aufhalten.
Die USA haben angekündigt, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit Hilfslieferungen aus der Luft zu versorgen. Dafür werde man sich mit Jordanien und anderen Staaten zusammentun. Die Aktion soll laut US-Präsident Joe Biden in den kommenden Tagen beginnen. Auch Deutschland hat Bereitschaft signalisiert, sich daran zu beteiligen. Außenministerin Annalena Baerbock kündigte außerdem an, die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen um weitere 20 Millionen Euro aufzustocken.
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Mehr als 30 Lastwagen mit Hilfsgütern überquerten am Donnerstagmorgen gegen vier Uhr den Grenzübergang Kerem Schalom Richtung nördlicher Gazastreifen. Doch statt dringend benötigte Hilfe zu erhalten, starben mutmaßlich mehr als 100 Palästinenserinnen und Palästinenser. Wie genau es dazu kam, ist noch unklar. Die Untersuchungen laufen. Die israelische Armee spricht von “Warnschüssen” nach einer Massenpanik, die palästinensische Gesundheitsbehörde von einem “Massaker”.
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