Die Anklagebehörde des
Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen
den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und
Verteidigungsminister Joaw Galant sowie gegen drei Hamas-Führer
wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit beantragt. Wie geht es nun weiter?
Wer entscheidet über den Antrag von Chefankläger Karim Khan?
Der Antrag des Chefanklägers Karim Khan geht an eine Kammer des IStGH mit drei Richtern: Den Vorsitz hat die Richterin Iulia Motoc aus Rumänien, dazu kommen die mexikanische Richterin Maria del Socorro Flores Liera und die Richterin Reine Alapini-Gansou aus Benin. Es gibt keine Frist, innerhalb derer die Richterinnen entscheiden müssen, ob sie einen Haftbefehl erlassen. In früheren Fällen haben Richter zwischen einem Monat und mehreren Monaten für eine Entscheidung gebraucht.
Nach welchen Kriterien entscheiden die Richter?
Wenn die Richter zu dem Schluss kommen, dass es “vernünftige Gründe” für die Annahme gibt, dass Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sind, stellen sie einen Haftbefehl aus. Dieser muss den Namen der Person sowie die spezifischen Verbrechen enthalten, für die eine Verhaftung beantragt wird. Die Richter können die Haftbefehlsanträge aber auch ändern oder nur Teile des Antrags der Staatsanwaltschaft bewilligen.
Welche Rolle spielt Israels Justiz?
Israel könnte selbst Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen aufnehmen. Darauf hat der Chefankläger des IStGH hingewiesen. Ein solcher Schritt könnte das Verfahren am Strafgerichtshof zumindest aufhalten. Denn der IStGH
wird nur tätig, wenn nationale Strafverfolgungsbehörden nicht
dazu in der Lage oder willens sind, entsprechende Verbrechen zu ahnden.
Khan warnte indes, dass eine Verweisung von Fällen an die nationalen Behörden nur dann möglich sei, “wenn diese unabhängige und unparteiische Gerichtsverfahren einleiten, die Verdächtige nicht schützen und keine Täuschung darstellen”.
Wer könnte die Strafverfolgung stoppen?
Nach den Regeln des Gerichtshofs kann der UN-Sicherheitsrat
eine Resolution verabschieden, die eine Untersuchung oder eine
Strafverfolgung für ein Jahr aussetzen oder aufschieben würde –
mit der Möglichkeit, dies auf unbegrenzte Zeit zu verlängern.
Welche diplomatischen Konsequenzen hat ein Haftbefehl?
Politikern oder Diplomaten ist es nicht
untersagt, Personen zu treffen, gegen die ein IStGH-Haftbefehl
vorliegt. Politisch gesehen könnte dies jedoch ein schlechtes
Bild abgeben.
Beeinträchtigt ein Haftbefehl die Reisemöglichkeiten von Beschuldigten?
Das Gericht hat keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle auch zu vollstrecken. Doch ist im Falle einer Vollstreckung die Bewegungsfreiheit der Gesuchten stark eingeschränkt. Denn im Falle von Haftbefehlen sind alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet, die Beschuldigten festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, sobald sie sich in ihrem Land befinden.
Welche Staaten erkennen den IStGH an?
Der Internationale Strafgerichtshof wurde 2002 ins Leben gerufen und verfolgt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. 139 Staaten weltweit haben das Römische Statut – die vertragliche Grundlage des IStGH – unterzeichnet, 124 davon haben es ratifiziert, auch Deutschland. Israel gehört neben den USA, Russland und China zu den Staaten, die das Gericht nicht anerkennen.
Die palästinensischen Gebiete wiederum sind Vertragsstaat. 2021 hatte der IStGH entschieden, dass er auch für die seit 1967 besetzten Gebiete wie das Westjordanland und den Gazastreifen zuständig ist. Wenn das Völkerrecht in diesen Gebieten also verletzt wird, ist der Gerichtshof in Den Haag zuständig, egal von wem die Taten ausgehen.
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