This is an authorized translation of an Eos article. Dies ist eine autorisierte Übersetzung eines Eos artikels.
Hoch oben in der Atmosphäre bilden sich entlang der Mesopause, wo die Mesosphäre in die Thermosphäre übergeht, aus Eiskristallen leuchtende Nachtwolken (englisch: noctilucent clouds). Am sommerlichen Polarhimmel sind sie ein vertrauter Anblick, in niedrigeren Breiten tritt dieses Phänomen dagegen seltener in Erscheinung. Das norddeutsche Städtchen Kühlungsborn liegt an der Grenze der Region, in der diese besonderen Wolken überleben können. Im Frühsommer 2019 bildete sich eine ungewöhnlich hohe Zahl leuchtender Nachtwolken (NLC) über dem Ort und war großenteils lange Zeit am nächtlichen Himmel zu beobachten.
Eine Forschungsgruppe am Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock machte sich daran, die Dynamiken der Atmosphäre zu untersuchen, die zu diesem außergewöhnlichen Ereignis führten. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Märzausgabe des Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics veröffentlicht.
„Leuchtende Nachtwolken sind äußerst temperaturempfindlich und interessant, weil sie Aufschluss über die Abläufe in der oberen Mesosphäre geben”, sagte Michael Gerding vom Leibniz-Institut und Hauptautor der Studie. „Der [historische] Datensatz [zu leuchtenden Nachtwolken] ist einer der ganz wenigen, die 140 Jahre zurück reichen.”
Weil es weder Spurengas, geschweige denn direkte Temperaturmessungen für einen Großteil der historischen Wolkenaufzeichnungen gab, stützten sich Gerding und sein Team auf konkrete Beobachtungen mit den neuesten Verfahren wie Lidar, Radar sowie auf die Satelliten Aura und Thermosphere Ionosphere Mesosphere Energetics and Dynamics, um die Dynamik in der Atmosphäre zu untersuchen.
Dem Geheimnis auf der Spur
Die ersten Wolken begannen sich in den frühen Morgenstunden des 29. Mai zu bilden und formierten sich weiter bis in den Juni hinein, bis schließlich fast dreimal mehr NLC als gewöhnlich gezählt wurden. Noch seltsamer war die Tatsache, dass die Wolken sich hielten. In einem Fall hing eine Wolke mehr als 10 Stunden lang in der Atmosphäre. Im Durchschnitt bildeten sich die Wolken 600 Meter tiefer in der Atmosphäre als üblich (in einer Höhe von 82,2 Kilometer). Sie waren zudem ungewöhnlich hell und brachten vier der sechs hellsten leuchtenden Nachtwolkenereignisse hervor, die je aufgezeichnet wurden. So schnell wie die Wolken erschienen, waren sie auch wieder verschwunden, und das Phänomen kehrte zu seiner für die Jahreszeit normalen Frequenz zurück.
„Die Signale waren 2019 so stark, dass wir die Daten in hoher Auflösung betrachten konnten”, erläuterte Gerding. „Wir können [anhand dieser Informationen] die dynamischen Prozesse verstehen, die für die Bildung und das Verhalten leuchtender Nachtwolken verantwortlich sind.”
Daten sind Macht
Zwei Faktoren beeinflussen, wann und wo das Eis kristallisiert: Temperatur und Übersättigung mit Wasserdampf. Das Team erstellte anhand der Daten, die während der Saison erfasst wurden, ein monatliches Durchschnittsprofil, um die allgemeine Wahrscheinlichkeit der Wolkenbildung zu bestimmen.
Die Daten zeigten, dass die Atmosphäre über Kühlungsborn unterhalb 83 Kilometer wesentlich kälter war als in den Jahren seit 2010. Trotz dieser Anomalie kehrte die Atmosphäre in Höhe von 70 Kilometer über der Erdoberfläche zu normalen oder sogar wärmeren Temperaturen zurück.
Die Datenlage lässt zwar keine definitive Aussage über die Ursache dieses besonderen Ereignisses 2019 zu, Gerding aber merkte an, dass der Jet in der Tropopause seine Stellung von Mittel- bzw. Nordeuropa in Richtung Südeuropa verlagere. Seiner Hypothese zufolge könnte diese Verschiebung lokale Winde verändert haben, so dass es mehr Auftrieb in der oberen Mesosphäre gab und dadurch kältere Temperaturen, mehr Wasserdampf und schwächere Winde in die Region gelangten.
„Dieser Artikel ist eine kleine Studie mit gewaltigen Auswirkungen”, sagte Cora Randall, Distinguished Professor an der University of Colorado Boulder und Studienleiterin des Experiments zu Cloud Imaging and Particle Size der Satellitenmission Aeronomy of Ice in the Mesosphere (AIM) der NASA. Sie war nicht an dieser Studie beteiligt. „Der Beitrag liefert ein weiteres Puzzleteil, mit dem wir wichtige Fragen über die Veränderungen in Wolken in niedrigeren Breiten werden beantworten können.”
—Stacy Kish (@StacyWKish), wissenschaftliche Autorin
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