Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny hat in einer Gerichtsanhörung bessere Haftbedingungen im Straflager Polarwolf gefordert. Zugeschaltet per Video kritisierte er den sehr eingeschränkten Zugang zu Lektüre und kurze Essenspausen, die einer Schikane gleichkämen. “Ich bekomme zwei Becher kochendes Wasser und zwei Stücke ekelhaftes Brot”, sagte Nawalny. Die für die Nahrungsaufnahme vorgesehenen zehn Minuten Zeit zwangen ihn und andere Häftlinge jedoch dazu, beides eilig einzunehmen: “Ich möchte dieses kochende Wasser normal trinken und dieses Brot essen. (…) Und ich werde gezwungen, mich an diesem kochenden Wasser zu verschlucken”, sagte er.
Nawalny wurde im Dezember in das Lager im Norden Russlands, das zu den härtesten Haftanstalten in dem Land gehört, verlegt. Zuvor war er für fast drei Wochen nicht auffindbar. Verlegungen zwischen verschiedenen Gefängnissen dauern in Russland häufig mehrere Wochen. Dennoch sorgte Nawalnys zwischenzeitliches Verschwinden für Besorgnis bei seinen Anhängern und EU-Institutionen.
Nawalny-Mitarbeiter rufen im Ausland zu Protesten auf
Grund dafür waren bisherige Misshandlungen des prominenten Oppositionellen sowie sein schlechter Gesundheitszustand. Auch die jüngste Videoschalte aus dem Gefängnis zeigte Nawalny stark abgemagert. Zudem klagte er mehrfach über Rücken- und Zahnschmerzen, eine Behandlung werde ihm verweigert. Das scheint System zu haben: Auch weitere inhaftierte Oppositionelle werden nach Angaben ihrer Anwälte sogar bei teils lebensbedrohlichen Krankheiten nicht angemessen medizinisch versorgt.
Wie das unabhängige Portal Mediazona berichtet, kritisierte Nawalny die Willkür im russischen Gefängnissystem. Verantwortliche bezeichnete er dabei als “Verbrecher”, “Verrückte” und “Faschisten”. Vertreter des Justizministeriums verwiesen zwar auf menschlichere Regeln, wüssten aber, dass sie vor Ort nicht eingehalten würden. So habe etwa ein Gericht, bei dem seine Anwälte die teils sogar auf drei Minuten beschränkte Dauer der Essensaufnahme beklagten, die Beschwerde abgewiesen. Es sei eine Dauer von “bis zu einer halben Stunde” vorgesehen, was auch Zeitfenster von drei Minuten umfasse.
Wegen unterschiedlicher angeblicher Delikte, darunter Extremismus, ist Nawalny in mehreren Prozessen zu 19 Jahren Haft verurteilt worden. Wegen weiterer Vorwürfe drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Mitarbeiter Nawalnys, die Russland verlassen hatten, riefen für den 21. Januar, den dritten Jahrestag von Nawalnys Festnahme, zu Protesten auf. Russlands Präsident Wladimir Putin habe seinen prominenten Kritiker Nawalny hinter dem Polarkreis wegsperren lassen, um ihn zum Schweigen zu bringen. “Lasst Putin nicht gewinnen”, schrieb Nawalnys Chefstratege Leonid Wolkow auf Telegram. Wegen der Repressionen in Russland seien die Demonstrationen aber nur im Ausland geplant.
Vergiftung mit Chemiekampfstoff und Repressionen im Gefängnis
Nawalny war in den Nullerjahren mit teils nationalistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen als politischer Aktivist in Erscheinung getreten, von denen er sich im Nachhinein mehrfach distanzierte. Bei den Protesten gegen Fälschungen der russischen Parlamentswahl 2011 war er bereits eine Schlüsselfigur der Opposition. Seine Kritik an Putins Regierung und der Regierungspartei Einiges Russland galt damals größtenteils der massiven Korruption. 2013 holte Nawalny als Kandidat bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen trotz zahlreicher Hürden und so gut wie keiner Präsenz in den staatlichen Medien 27 Prozent der Stimmen. Eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2018 wurde ihm verweigert.
Der Ostcast –
Der berühmteste Häftling Russlands
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Alexej Nawalnys politisches Leben begann in den 2000er Jahren. Ein junger, ehrgeiziger Mann, der eine politische Heimat suchte und glaubte, sie bei der liberalen Jabloko-Partei gefunden zu haben. Er blieb nicht lange, sympathisierte kurzzeitig mit rechten Kräften, kandidiert später in Moskau als Bürgermeister und wurde bald zu einem der bedeutendsten russischen Oppositionellen.
Mittlerweile sitzt Nawalny seit über 940 Tagen in Haft. Ist weggesperrt, seitdem er im August 2020 mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet und bei seiner Rückkehr nach Russland festgenommen wurde. Anfang August 2023 wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein weiteres Urteil gegen ihn gefällt: 19 zusätzliche Jahre in einem russischen Straflager, unter anderem wegen der Gründung und Finanzierung einer extremistischen Organisation. Doch obwohl zweifelhaft ist, ob Alexej Nawalny jemals wieder das Straflager lebend verlässt, reißt die Kritik an ihm gerade im Ausland nicht ab.
Im Podcast sprechen Alice Bota, Redakteurin im Ressort Politik der ZEIT, und Michael Thumann, außenpolitischer Korrespondent der ZEIT, über Nawalnys Aufstieg in der Politik. Woher kommen seine Wandel und mit welcher Strategie konnte er zu Putins größtem Gegner werden? Wie ist es Alexej Nawalny gelungen, so viele junge Menschen zu mobilisieren? Wieso ist das Misstrauen gegen ihn gerade in der Ukraine so groß?
Alice Bota hat Alexej Nawalny vor Jahren bei einem sehr eigentümlichen Wahlkampf durch die russische Provinz begleitet. Und Michael Thumann geht der Frage nach, ob die Ansichten des jungen Nawalnys ein Symptom seiner Zeit waren.
Alle zwei Wochen sprechen wir im Ostcast über Politik und Gesellschaft der osteuropäischen Länder. Alice Bota berichtet von ihren Gesprächen und Erfahrungen in Osteuropa, Michael Thumann erzählt von seinen Begegnungen und Reisen in Russland und den Nachbarländern.
2020 wurde Nawalny mit dem international verbotenen sowjetischen chemischen Kampfstoff Nowitschok, das russische Geheimdienste bereits bei einem Anschlag in Großbritannien eingesetzt hatten, vergiftet und beinahe getötet. Danach wurde er nach Deutschland ausgeflogen und wochenlang in Berlin behandelt. Er und sein Team werfen russischen Geheimdiensten vor, hinter der Vergiftung zu stecken.
Dennoch kehrte der Oppositionelle 2021 nach Russland zurück, wo er umgehend verhaftet wurde. Einen großen Teil seiner bisherigen Haftzeit verbrachte er in Isolationshaft, die immer wieder wegen Bagatellen angeordnet wird. 2023 eröffnete die russische Justiz Verfahren gegen mehrere Anwälte Nawalnys, eine dem Oppositionellen zufolge seit Sowjetzeiten nicht mehr gesehene Repressionsmaßnahme. In Haft kritisiert er regelmäßig die Zustände im Gefängnissystem und den russischen Krieg gegen die Ukraine.
Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny hat in einer Gerichtsanhörung bessere Haftbedingungen im Straflager Polarwolf gefordert. Zugeschaltet per Video kritisierte er den sehr eingeschränkten Zugang zu Lektüre und kurze Essenspausen, die einer Schikane gleichkämen. “Ich bekomme zwei Becher kochendes Wasser und zwei Stücke ekelhaftes Brot”, sagte Nawalny. Die für die Nahrungsaufnahme vorgesehenen zehn Minuten Zeit zwangen ihn und andere Häftlinge jedoch dazu, beides eilig einzunehmen: “Ich möchte dieses kochende Wasser normal trinken und dieses Brot essen. (…) Und ich werde gezwungen, mich an diesem kochenden Wasser zu verschlucken”, sagte er.